Ewige BAUSTELLE !

Anmerkungen zur Sittengeschichte

Sakrale Orgien, Keuschheitsgürtel, Selbst-Kastration - es gibt in der Geschichte der Sexualität viel Unbekanntes, Erstaunliches und Amüsantes, über das hier berichtet werden soll. Ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit oder gar Wissenschaftlichkeit sollen Anmerkungen gegeben werden zur Frage:

 

Wie gingen die Menschen und die Gesellschaften früherer Epochen mit der Sexualität um?

Zur Mitarbeit wird eingeladen!

 

Urgeschichte

Was bedeutet diese urgeschichtliche Venus? Dass sie mit Sexualität zu tun hat, ist offensichtlich und an den prallen Brüsten und der geöffneten Vulva zu erkennen. Aber dient sie der Beschwörung der Fruchtbarkeit? Soll ihr Anblick - als urzeitlicher Porno - Lust hervorrufen? Kennen die Menschen zu diesem Zeitpunkt ihrer Entwicklung überhaupt schon den Zusammenhang zwischen Sex und Geburt? Es gibt unzählige Spekulationen. Festzustellen ist aber lediglich, dass wir Genaues nicht wissen können, solange uns diese frühen Kulturen keine schriftlichen Äusserungen hinterlassen haben.

Es ist immer wieder versucht worden, durch anthropologische Studien bei noch existierenden Naturvölkern Parallelen zu ziehen. Aber die ungeheure Vielfalt an gesellschaftlichen Stammesorganisationen und an sexuellen Praktiken und Tabus verhindert jede eindeutige Aussage.

 

Völlig unbeschränkte sexuelle Freiheit wird es vermutlich auch in der Urgeschichte der Menschheit nicht gegeben haben. Aber in welcher Form die frühen Menschen ihr Zusammenleben und ihre Sexualität organisiert haben, darüber geben die archäologischen Funde keine eindeutige Auskunft. Gab es die Monogamie oder Einehe, also die Verbindung eines Mannes mit einer Frau? Gab es die Polygynie oder Vielweiberei, also die Verbindung eines Mannes mit einer beliebigen Anzahl von Frauen? Oder die Polyandrie, die Vielmännerei, also die Verbindung einer Frau mit einer beliebigen Zahl von Männern? Oder die Gruppenehe, das heisst die Verbindung einer beliebigen Zahl von Männern mit einer beliebigen Zahl von Frauen? Alle diese Formen finden wir in unterschiedlicher Ausprägung noch heute in unterschiedlichen Zivilisationen.

 

Älteste Zivilisationen

Durch die Erfindung von Ackerbau und Viehzucht waren die ältesten sesshaften Zivilisationen auf die Fruchtbarkeit der Natur fixiert. In den vorderasiatischen Regionen entwickelten sich spezielle religiöse Riten, mit denen die Götter bewogen werden sollten, die Fruchtbarkeit der Felder und Herden zu fördern. So gehörte es zu den Aufgaben den Herrschers, im Frühjahr sich mit der dafür zuständigen Göttin - in Person der Oberpriesterin - sexuell zu vereinigen. Auf der obersten Plattform des Ischtar-Tempels in Babylon (Bild) vollzog der König öffentlich den rituellen Geschlechtsakt und eröffnete damit ein orgiastisches Fruchtbarkeitsfest.

 

 

Ebenfalls als Beschwörung der Fruchtbarkeit dürfte wohl der Brauch der "Tempelprostitution" zu interpretieren sein. Jede junge Frau hatte sich einmal in ihrem Leben in den Tempel zu begeben und sich den vorüberkommenden Männern anzubieten. Wenn sie erwählt wurde, warf der Mann eine Münze in ihren Schoß und nahm das Mädchen an Ort und Stelle. Indem sie sich dem Fremden hingab, erfüllte sie ihre Pflicht gegenüber der Göttin. Danach kehrte sie, sexuell erschlossen, nach Hause zurück.

Griechenland

Die Venus Kallipygos, eine römische Kopie der berühmten griechischen Aphrodite-Statue, verkörpert das Idealbild des Hinterns in der abendländischen Kultur. (Welchem die klassischen Griechen ja bekanntlich besonders zugetan waren.) Sie dürfen jetzt raten: Ist das wirklich ein typisch weiblicher, oder eher ein männlicher Hintern?

Kommentar eines Archäologen: "Bei der Betrachtung dieser Venus gerät das Schamgefühl in Aufruhr, die Phantasie wird erregt, die Begierde entflammt. Eiligst muss man sich entfernen, um die erregten Sinne zu beruhigen." Und: "Obwohl sich die Statue in einem besonderen Raum befindet, der nur in Begleitung eines Aufsehers betreten werden darf, verrät doch die dunkle Färbung des Hinterns, dem die Statue ihren Namen verdankt, die Küsse, die begeisterte Bewunderer aufdrückten."

Die griechische Kultur ist gekennzeichnet von einer kriegerischen Männergesellschaft mit nahezu schrankenlosen sexuellen Freiheiten dieser Männer.

Frauen waren erst dem Vater, nach der Heirat dem Ehemann untertan. Sie durften nur selten das Haus verlassen. Ihre Aufgabe war es, die Sklaven zu beaufsichtigen und Kinder zu gebären, möglichst Knaben.

Zum "Ausgleich" gab es spezielle und seltene Feste für Frauen, an denen Männer nicht teilnehmen durften. Wein in Fülle und Gebäck in Form männlicher und weiblicher Geschlechsteile wurden aufgetragen und es ging überaus lustig und unanständig zu. Die Frauen zeigten sich gegenseitig ihre Geschlechtsteile und es wird nicht beim Zeigen geblieben sein. Priesterinnen stachelten das wüste Treiben an.

Demosthenes: "Die Hetären (Geliebte, Freundin) haben wir zu unserem Vergnügen, die Prostituierten zur täglichen persönlichen Befriedigung und die Ehefrauen, damit sie uns Kinder gebären und unser Haus treu verwalten."

(Wie immer man zu einer solchen Sexualorganisation stehen mag, aber "für die Frauen muss diese Aufgabenteilung leichter zu bewältigen gewesen sein, als die Zusammenfassung all dieser Funktionen in einer einzigen Ehefrau, wie dies heute im europäisch-amerikanischen Kulturkreis der Fall ist." (Döbler: Eros und Sexus)

Rom

Nordische Kulturen

Nordisch, 3.Jh.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Kulturen scheint die Frau in den vorchristlichen nordischen Zivilisationen eine relativ starke Stellung gehabt zu haben. Dies drückt sich z.B. in der Scheidungs-Möglichkeit aus. In einem alten Gesetzbuch heißt es: "Sieben der Frauen gibt es in Irland, die, mögen sie auch durch Kind und Habe an den Mann gebunden sein, berechtigt sind, den Geschlechtsverkehr zu beenden, wann immer es ihnen passt; und was sie auch als Mitgift erhalten haben, es kommt ihnen rechtens zu. Diese sieben sind: Eine Frau, über die ihr Mann eine Lügengeschichte in Umlauf setzt; eine Frau, über die ihr Mann spottet, sodass sie verlacht wird; eine Frau, der ihr Mann einen Makel vorwirft; eine Frau, die um einer anderen willen verstoßen wird; eine Frau, die um ihr Eherecht betrogen wird, weil ihr Mann es vorzieht, mit jungen Sklaven zu schlafen, ohne dass er das nötig hätte; eine Frau, der ihr Partner, als er um sie warb, einen Liebestrank eingegeben hat, um sie zur Unzucht zu verführen; eine Frau, deren sexuelles Verlangen in der Ehe nicht befriedigt wird, denn jede Frau in Irland, die verehelicht und zur richtigen Mitwirkung bereit ist, hat ein Recht auf dieses Verlangen."

Im heidnischen Wales kamen als Scheidungsgründe für Frauen noch hinzu: Wenn der Mann Lepra hatte, impotent war oder aus dem Mund stank.

Mittelalter

Liebespaar mit Cupido und Tod
Liebespaar mit Cupido und Tod

Mit der gewaltsamen Duchsetzung des Christentums waren die alten Götter und Sitten freilich keineswegs beseitigt, so sehr man sich auch bemühte, christliche Inhalte über die alten Gebräuche zu stülpen: z.B. Weihnachten statt des alten Sonnwendfestes.

Ein gutes Beispiel dafür ist, dass noch am Ende des 18.Jahrhunderts in der Umgebung Neapels der alte römische Priapkult gefeiert wurde. Die Rolle der antiken Gottheit nahmen jetzt die katholischen Heiligen Kosmus und Damianus ein. Deren Reliquien wurden feierlich zur Schau gestellt, insbesondere der Penis des heiligen Kosmus. Viel Volk strömte herbei, Frauen kamen mit riesigen Phallen aus Wachs, am Hauptaltar salbten die Priester die Zeugungsglieder der Gläubigen mit heiligem Öl. Die Wirksamkeit dieser kultischen Handlungen wurde dann gleich praktisch erprobt ...

Das Bußbuch des Burchard von Worms, das den Priestern helfen sollte, die sexuellen Verfehlungen der Beichtenden zu erfragen, zeigt die (vergeblichen) Versuche, die christliche Sexualmoral durchzusetzen:

"Hast du getan, was manche Frauen zu tun pflegen, nämlich irgendein Werkzeug oder Gerät gemacht, das einem männlichen Glied gleicht, nach dem Maß deines Verlangens, und hast du dies mit Bändern festgemacht an der Stelle deiner Schamteile und hast du Unzucht getrieben mit anderen Frauen? Oder haben andere Frauen mit demselben oder einem anderen Instrument Unzucht getrieben mit dir? Wenn du dies getan hast, musst du 5 Jahre lang an den festgesetzten Tagen fasten.

Hast du getan, was manche Frauen gewohnt sind zu tun, wenn sie von quälender Lust geplagt werden und diese lindern wollen? Sie verbinden ihre Geschlechtsteile miteinander und wollen dann, durch sich so aneinander reiben, ihrer beider Lust lindern. Wenn du das getan hast, musst du drei Fastenzeiten lang Buße tun.

Hast du getan, was manche Frauen gewohnt sind zu tun: Hast du nämlich mit deinem kleinen Sohn Unzucht getrieben, sodass du deinen Sohn auf deinen Schambereich legst und so den Geschlechtsverkehr imitierst? Wenn du das getan hast, musst du 2 Jahre lang an den festgesetzten Tagen Buße tun.

Hast du getan, was manche Frauen gewohnt sind zu tun: Hast du dich nämlich unter ein Lasttier gelegt und hast du das Tier zum Geschlechtsverkehr gebracht, auf welche Art auch immer? Wenn du dies getan hast, musst du eine Fastenzeit lang auf Wasser und Brot büßen und die nächsten 7 Jahre ebenso."

 

Seit undenklichen Zeiten wird die Ehe arrangiert, ohne auf persönliche Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Die Sexualgemeinschaft zweier Menschen ist Pflicht, nicht Leidenschaft. (Für Leidenschaften sind Prostituierte, Hetären, Geliebte, Zweitpartner zuständig.) Im Mittelalter bricht sich dagegen ein neues Prinzip der individuellen Geschlechterliebe Bahn. Es entsteht der Wunsch der Frau, sich dem Mann hinzugeben, dem ihre Sympathie gehört, und der Wunsch des Mannes, eine Frau zu besitzen, die nicht durch Pflicht, sondern durch persönliche Verliebtheit seinen Begierden gefügig ist.

Diese neue Sichtweise drückt sich im ritterlichen Minnedienst aus, dessen oberste Regel lautete, dass echte Minne mit der Ehe unvereinbar sei. Eduard Fuchs schreibt dazu: "Diese höhere Form der Liebe propagiert den von beiden Seiten und von einer ganzen Klasse systematisch organisierten und betriebenen Ehebruch. Kein Mann dieser Klasse, der nicht jahraus, jahrein auch um die letzte Gunst anderer Frauen als der seiner Gattin buhlte, keine Frau, die nicht noch irgendeinem anderen Manne gestattete, offen vor aller Welt bei ihr um den höchsten Minnesold zu werben, so dass am letzten Ende die ganze ritterliche Gesellschaft nichts als eine einzige Gesellschaft für Ehebruch auf Gegenseitigkeit war."

 

Das Aufkommen der individuellen Geschlechtsliebe hat uns einige der schönsten, tief empfundenen Liebeszeugnisse hinterlassen. Ein langer Liebesbrief einer uns unbekannten Frau schließt mit den Worten:

Du bist mein, ich bin dein,

Des sollst du gewiß sein.

Du bist beschlossen in meinem Herzen.

Verloren ist das Schlüsselein,

Nun mußt du immer drinnen sein.

 

Im Gegensatz dazu: Die extrem derben und zotigen Fastnachtsspiele, die sich unter Beteiligung der Priester und teilweise in den Kirchen abspielen.

In einem dieser Spiele klagt eine Frau, sie finde keine sexuelle Befriedigung, da der Penis ihres Mannes zu klein sei. Er dagegen klagt sie an, ihre Vulva sei viel zu groß und ausgeleiert, sodass auch er nur lustlose Befriedigung finde. Nach langem Hin und Her und vielen Diskussionen über die rechte Beschaffenheit von Schwanz und Loch befürwortet das Gericht die Scheidung der Beiden. Aber sie sollen sich die nächsten Ehepartner entsprechend ihren Geschlechtsteilen aussuchen.

 

Bevor es in adeligen Kreisen zu Verlobung und Ehe kommt, werden Probiernächte veranstaltet. Die minnigliche Maid kommt nackt willig in das Bett des Recken, der ihrer begehrt, um sich der "Probier" zu unterziehen. Im "Lohengrin" wird dies folgendenmaßen beschrieben:

Wie Elsa von Brabant, die schöne, keusche Magd,

dem Fürsten wert, des Nachts ward zugesellet,

Die Kaiserin nicht unterließ,

Dass sie die Fürstin selbst des Nachts zu Bette wies.

In dieses Bett hat sich die Jungfrau nun gehoben,

Um drin der Minne Buhurd zu erleiden.

Nun war die Maid entkleidet schier,

Es drückte sie der Degen an sich stolz und zier:

Ich sag nicht mehr als - was er sucht', das fand er.

 

Renaissance

Leonardo da Vincis anatomische Skizze eines Geschlechtsakts kennzeichnet recht treffend das Bestreben der Epoche, die Natur und den Menschen nicht mehr religiös, sondern wissenschaftlich zu erkennen.

Es ist eine äußerst kraftvolle Epoche, in der überall zu neuen Ufern aufgebrochen wird. Dies spiegelt sich auch in den sexuellen Gebräuchen dieser Zeit.

Die "Natur" und damit das natürliche Bedürfnis von Mann UND Frau, den "Betthunger" gestillt zu bekommen, wird in der Renaissance - ungeachtet kirchlicher Doktrin - zum gesellschaftlich anerkannten Grundsatz.

Man beschäftigt sich z.B. mit der Frage, wann Mädchen und Burschen reif zum Sex sind und dass man sie davon nicht abhalten soll:

Hungert die Dirn ob ihren Knieen,

So soll man nicht lange verziehen

Und ihr geben einen jungen Gesellen,

Der da hat einen guten Schnabel

Zwei Handbreit unter seinem Nabel.

Über den Zeitpunkt, wann eine Jungfrau "nach Mannsfleisch Gelüst" hat, sagt man: "So die Jungfrau einen Busen hat wie zwo Birn und unter dem Nabel ist sie nicht mehr kahl".

Man sollte also mit dem Gebrauch der Geschlechtsteile nicht knausern, denn: "Der Nichtgebrauch kann dieser Körperpartie großen Schaden zufügen und Hysterie erzeugen, woran manche schönen Frauen zugrunde gehen. Das beste Mittel dagegen, sagen die Ärzte, ist die fleischliche Beiwohnung, und zwar seitens kräftiger und wohlgebauter Männer."

Viele sehr alte und teilweise sogar bis heute geübte Bräuche beziehen sich auf die Eheschließung. So wurde z.B. fast überall in Europa das Ehebett, die "Werkstatt der Liebe", vom Priester gesegnet. Allgemeine Anschauung ist auch das öffentliche Beiliegen der frischen Eheleute in einem gemeinsamen Bett. Die Hochzeitsgesellschaft zog sich dann hinter die Tür der Kammer, in der der erste sexuelle Akt stattfand, zurück und sang erotische Hochzeitslieder. Man nannte das das "Niedersingen der Braut". Nach vollzogenem Beilager wurden die Eheleute scherzhaft vor aller Augen aufgedeckt und im Triumph wieder aus dem Bett herausgeholt.

 

Die Renaissance ist ein ausgesprochen sinnliches und potentes Zeitalter, was Kunst und Literatur tausendfach belegen. In der Liebe wird der Geschlechtsakt an die erste Stelle gerückt, wobei man auch möglichst oft sinnliche Befriedigung erreichen möchte. "Die Unersättlichkeit in der Liebe ist ein charakteristisches Merkmal des Geschlechtslebens der Renaissance", schreibt Eduard Fuchs. Man leidet stets unter "Nachthunger" und verfügt über einen äußerst robusten Appetit.

Intensiv wird diskutiert, wieviele Gänge ein ordentliches Liebesmahl haben sollte. Denn: "Einmal ist nur eine Kostprobe", "einmal ist der Jungfern Vorkost", "einmal ist die Kost der Kranken". Aber: "Zweimal ist der Herren Weise, dreimal ist des Edelmanns Pflicht, viermal heisst der Frauen Recht."

Zwar gibt es Dokumente, in denen sich Frauen über den allzu großen Appetit ihrer Männer beschweren, weitaus häufiger sind aber Dokumente, in denen Männer über das unstillbare Verlangen ihrer Frauen klagen und Beschwerden von Frauen, dass sie jeden Tag "hungrig vom Tisch der Liebe aufstehen müssten". Nach einem gängigen Sprichwort wird vom Manne verlangt, dass er "des Hengstes Kraft und des Sperlings Emsigkeit" besitze.

Am Schlimmsten aber, heißt es, treiben es die Witwen. Die Witwenschaft dauere nur einen Tag. Und Witwen lieben doppelt, denn sie wollen beim zweiten Mann das nachholen, was ihnenn der erste versagt hat, und darum ist nichts gefährlicher, als eine Witwe zu heiraten, die schon zwei oder gar drei Männer gehabt hat. Denn, das ist allgemeine Meinung:  "Vom Gürtel abwärts altern die Frauen nicht."

 

Die allgemeine und akzeptierte Sinnlichkeit hindert nicht, dass der Verlust der Jungfernschaft ausserhalb der Ehe als höchste Schmach angesehen wurde. Wird derartiges öffentlich bekannt, hat die Frau lebenslang darunter zu leiden. Deshalb muss auch dokumentiert werden, dass eine Jungfrau unberührt das Ehebett bestiegen hat. Dies geschieht, indem das mit den Spuren der Entjungferung befleckte Leintuch triumphierend zum Fenster herausgehängt wurde.

Aber woher soll man in dieser heissblütigen Zeit  "echte" Jungfrauen nehmen? Da berichtet z.B. ein Beichtvater:  "Niemals hat mir ein Dirnlein, das über zehn Jahre alt war, nicht zugestanden, mindestens zwei Liebhaber schon gehabt zu haben."

Man löste das Dilemma durch allerlei Mittel zur Herstellung künstlicher Jungfernschaften. Durch solche Mittel, sagt ein Sprichwort, "blieb man solange Jungfer, als der Bauch schwieg". Dann allerdings blieb nur noch die Abtreibung, die straffrei war und vielerlei Mittel zur Verfügung hatte, die die Frauen sich untereinander weitergaben.

 

Der Brauch der Komm- und Probenächte geht auf sehr frühe Zeiten zurück und verbreitet sich in ganz Europa, vornehmlich in bäuerlichen Kreisen. Jede Landschaft hat dafür eigene Bezeichnungen, in Oberbayern z.B. sagt man "fensterln" dazu.

Die mannbaren Töchter - sowie das Mannsfleischgelüst sich bemerkbar machte - wurden in möglichst abgelegene Kammern verwiesen, wo sie unbemerkt von jungen Burschen über Leitern besucht werden konnten. Dann wurde also "probiert", ob man aneinander Gefallen findet und ob man körperlich zueinander passt. War dies der Fall und der richtige Partner gefunden, konnte die Verlobung folgen.

Aufklärung

Die detaillierte Beschreibung der sexuellen Vereinigungen in Bild und Text und in allen nur möglichen Variationen und personellen Kombinationen sind einerseits Zeichen der Rebellion gegen die staatliche und kirchliche Konvention, andererseits aber auch die bewusste Anregung zur Lust beim Betrachten oder Lesen. "Lies und masturbiere!" ist eine berühmte Aufforderung  Mirabeau am Beginn eines seiner erotischen Werke.

Die galante Zeit

Den Frauen der oberen Klassen wurde im Ehevertrag zugesichert, sich einen Liebhaber halten zu dürfen. Über den Wiener Hof berichtet Lady Montagu: "Es ist Sitte, dass jede Dame zwei Gatten hat, einen, der es dem Namen nach ist, und einen anderen, der die Gattenpflichten zu erfüllen hat. Und diese Beziehungen sind so allgemein bekannt, dass es ein Affront wäre, eine Dame von Rang ohne ihre beiden Männer - den Liebhaber und den Gatten - einzuladen, zwischen denen sie dann mit großer Würde thront. Diese Nebenehen dauern oft zwanzig Jahre, und die Dame verfügt bisweilen über den Besitz des unseligen Liebhabers in einer Weise, die zum völligen Ruin seiner Familie führt. Der Gatte steht dem Galan seiner Frau so wohlwollend gegenüber wie einem Stellvertreter, der ihm lästige Pflichten abnimmt. Er hat deshalb allerdings nicht weniger zu tun, da er meist anderswo die Rolle des Stellvertreters spielt."

Victorianisches

Das K+K-Regime Österreich-Ungarns ließ einen umfangreichen Index verbotener erotischer Literatur erstellen. Dieser Index war bei den Liebhabern erotischer Literatur äußerst beliebt, wusste man nun doch, wonach man suchen musste. Die Zensur-Behörde musste schließlich ihren eigenen Index auf den Index setzen.

Andernorts

In fast allen menschlichen Gesellschaften gilt der Ehebruch als schwere Verfehlung. (Es sei denn zu rituellem Zweck oder als zur sexuellen Gastfreundschaft gehörend.) Wobei der Ehebruch der Frau deutlich strenger bewertet wird - bis hin zur Todesstrafe. Dies scheint auszudrücken, dass das Besitzrecht des Mannes über die Frau beschädigt wird und dass die Gefahr besteht, keine eindeutige Klarheit über die Erbfolge mehr zu haben. Es gibt aber auch da Ausnahmen:

Bei den Toda, einem Stamm in Südindien, herrscht ein System der Brüder-Vielmännerei. Das heißt, dass eine Gruppe von Brüdern ein- und dieselbe Frau heiraten darf. Dort lässt sich ein Mann von seiner Frau scheiden, wenn sie töricht ist oder nicht arbeiten will. Verkehrt sie mit anderen Männern als ihren Gatten geschlechtlich, so wird das nicht als ernste Angelegenheit betrachtet und auch nicht als Scheidungsgrund. Schließlich besteht dann, wenn ein Mann die sexuellen und anderen Rechte, die er an einer Frau besitzt, mit anderen teilt, kein Anlass zur Aufregung, wenn sich die Zahl der Teilhaber vergrößert.

Quellen

Wer sich für die kulturgeschichtlich unterschiedlichen Formen der Sexualität und der gesellschaftlichen Moral interessiert, dem seien folgende Titel empfohlen:

- 100.000 Jahre Sex. Liebe und Erotik in der Geschichte. Stuttgart 2003
- Döbler: Eros und Sexus. Kleine Kulturgeschichte. München 1971
- Liebeskunst. Liebeslust und Liebesleid in der Weltkunst. Zürich, o.J.

 

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